Neu kombiniert – Innovative Marktforschung mit bewährten Methoden

Durch die Digitalisierung erschließen sich auch der Marktforschung viele neue Methoden. Diese neuen Tools müssen jedoch nicht immer innovativer sein als bewährte Methoden, meinen Marc Leimann und Florian Tress. Sie plädieren deshalb für den intelligenten Einsatz von klassischen Methoden.

In der Marktforschung wird Innovation häufig mit dem Einsatz neuer Technologien gleichgesetzt: Mehr Insights durch mehr Tools. Dabei wird das Potenzial übersehen, das im geschickten Einsatz etablierter Methoden steckt – von der Auswahl der richtigen Methode über die optimale Datenerhebung, die smarte Verknüpfung und Aufbereitung der Daten bis hin zur bedarfsgerechten Datenlieferung. Die Formel muss eigentlich lauten: Mehr Insights durch die richtigen Tools! Das lässt sich am Methodenrad von Norstat verdeutlichen. Hier finden sich die wichtigsten Datenquellen der Markt- und Sozialforschung kreisförmig aufgetragen: digitale und traditionelle Methoden der Sozialforschung, externe Datenquellen und neuere digitale Methoden zur Verhaltensmessung. Für jedes Erkenntnisinteresse lassen sich an diesem Rad die genannten Schritte nachvollziehen, von der Identifikation geeigneter Datenquellen zur Verknüpfung und Berichtslegung der Informationen. So eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten, bewährte Methoden zu neuen Ansätzen zu verschmelzen.

Optimierung der Werbeflächen für finn.no
Ein Beispiel für diese Fusionierung bekannter Methoden zu einem innovativen Ansatz stellt die laufende Studie von Norstat für das Kleinanzeigenportal finn.no dar. Das Portal ist mit monatlich über zwei Millionen Besuchern eine der größten Webseiten Norwegens. Neben der kommerziellen Vermittlung von Waren und Dienstleistungen über die Plattform stellen die Werbeflächen auf der Webseite einen wichtigen Geschäftsbereich dar. Diese sollen passgenau für die jeweilig gewünschte Zielgruppe einer Kampagne ausgesteuert werden. Insofern ist die detaillierte Bestimmung der Benutzerdemografie je Webseiten-Kategorie ein wesentlicher Erfolgsfaktor für finn.no.

Zu diesem Zweck wurden mehrere Forschungsansätze diskutiert. Dabei hat man eine Webseiten-Befragung frühzeitig ausgeschlossen: Einerseits befürchtete finn.no stark ablehnende Reaktionen seiner Besucher, insbesondere aufgrund der angestrebten Erhebung personenbezogener Daten, andererseits bot diese Methode auch keine adäquate Möglichkeit, dauerhafte Nutzugsmuster der Besucher zu dokumentieren. Deshalb wurde versucht, die Nutzer von finn.no bestmöglich im Online-Panel von Norstat zu repräsentieren. Hierfür griffen zwei Vorgehen ineinander: Zum einen wurden die registrierten Webseiten-Nutzer in einem datenschutzrechtlich aufwändigen Verfahren mit den Mitgliedern des Online-Panels abgeglichen, zum anderen wurden die anonymen Besucher von finn.no per Cookie Tracking auf eine mögliche Panel-Mitgliedschaft überprüft. Für alle derart identifizierten Panel-Mitglieder lagen unmittelbar die umfangreichen Profilvariablen vor, die Norstat standardmäßig bei der Registrierung im Panel erhebt und regelmäßig aktualisiert. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, diese Panel-Profile mit der differenzierten Nutzungshistorie von finn.no anzureichern. Außerdem konnten jederzeit Online-Umfragen zu beliebigen Themen durchgeführt werden, falls finn.no für die Vermarktung der Werbeplätze spezifischere Informationen benötigte.

Auf diese Daten konnte der Kunden finn.no mithilfe von Dashboards zugreifen, wobei die Ergebnisse aus datenschutzrechtlichen Gründen nur in aggregierter Form dargestellt wurden. Dennoch ist die Studie seitdem ein großer Erfolg für finn.no und konnte die Marktstellung der Webseite in Norwegen weiter ausbauen.

Datenqualität leidet nicht
Aus technischer Sicht greift diese Studie ausschließlich auf etablierte Methoden der Datenerhebung zurück und kann trotzdem mit gutem Grund als innovativ gelten. Erstens werden hier bewährte Methoden der Marktforschung auf eine innovative Art und Weise zueinander in Bezug gesetzt. Es sorgt dabei nicht die Neuartigkeit der Methoden selbst für bessere Forschungsergebnisse, als vielmehr die Neuartigkeit ihrer Kombination. Und obwohl der Ansatz in dieser Form bislang einzigartig ist, sind durch die langjährige Erprobung der einzelnen Methoden keine Schwankungen oder Abstriche bei der Datenqualität zu erwarten, wie man sie vielleicht von einigen innovativen Pilotstudien kennt.
Zweitens kann diese Studie als innovativ bezeichnet werden, weil sie den Fokus konsequent auf ihren Auftraggeber richtet. Dabei spielt nicht nur das konkrete Problem des Auftraggebers eine Rolle, sondern gerade auch die verfügbaren Datenquellen beim Kunden, die zur Beantwortung der Forschungsfragen (mit) herangezogen werden können. Auf diese Weise bekommt Forschung eine Passung für den Auftraggeber, wie es technische Innovationen in der Marktforschung kaum leisten können.
Drittens, und an den vorherigen Punkt anschließend, erlaubt die Berichtslegung mithilfe von Dashboards dem Kunden einen interaktiven Zugang zu den Daten, und zwar potenziell allen Mitarbeitern in Echtzeit. Dadurch halten Marktforschungsergebnisse Einzug in den operativen Alltag und tragen durch ihre unmittelbare Relevanz zu einer effizienteren Arbeitsweise bei. Mit anderen Worten steigert die Demokratisierung von Marktforschungsergebnissen im operativen Geschäft auch ihre Werthaltigkeit.

Potenzial bewährter Methoden
Selbstverständlich wird die Marktforschung auch weiterhin von neuen Technologien profitieren. Sie ist dennoch gut beraten, wenn sie die mannigfaltigen Potenziale der bewährten und erprobten Methoden nicht ungenutzt lässt. Hierfür braucht es verlässliche Forschungspartner, die bei der Logistik solcher Studien unterstützen können, sowie ein breites und fundiertes Methodenwissen. Und gerade dann benötigt die Forschung eben auch nicht mehr, sondern vor allem die richtigen Tools.

Dieser Artikel ist zuerst in der Research&Results erschienen.